Aktive Absorber, elektronische Bassfalle

Aktive Absorber / elektronische Bassfallen

Aktive Absorber werden in der Raumakustik in erster Linie zur Behandlung des Bassbereichs eingesetzt. Dort erzielen sie bei geringen Abmessung eine wirkungsvolle Reduktion störender Raumresonanzen und sind deshalb besonders in kleinen Räumen eine platzsparende und optisch unauffällige Alternative zu grossen, voluminösen Bassfallen wie Helmholtzresonatoren oder Plattenschwingern. Daneben haben sie auch noch eine Reihe von weiteren Vorteilen. Derzeit gibt es drei kommerzielle Produkte am Markt, die "Bag End E-Trap", der "PSI Audio AVAA" und ein System von "Rocket Science", deren Funktionsweise im Artikel beschrieben werden.

Passive vs. aktive Absorption

Passive Absorber werden in der Raumakustik seit vielen Jahren erfolgreich eingesetzt, um Probleme, vornehmlich im Bassbereich, zu beheben. Dazu gehören etwa Helmholtzresonatoren oder Plattenresonatoren. Angeregt durch das Schallfeld beginnen diese Akustikelemente mitzuschwingen und damit dem Raum Energie zu entziehen (Ja, es gibt auch noch andere physikalische Effekte - aber wir wollen die Erklärungen an dieser Stelle etwas vereinfachen, da eine Ausführung nichts Wesentliches zum eigentlichen Thema des Artikels beitragen). Passive Absorber benötigen eine relativ grosse Fläche bzw. grosse Volumina, um eine überzeugende Wirkung zu erzielen.

Ausserdem sind sie ausgesprochen schwierig abzustimmen. Zwar gibt es eine Reihe von mehr oder weniger simplen oder aufwändigen Formelsätzen zur Berechnung der Resonanzfrequenz. Regelmässig stellen sich diese jedoch als nicht praxistauglich heraus, da wichtige physikalische Randbedingungen gar nicht erst berücksichtigt werden. Selbst wenn man diese Randbedingungen alle modellieren kann, hilft dies im Regelfall nicht weiter, da die nötigen Eingabeparameter meistens unbekannt sind und sich nicht ohne weiteres ermitteln lassen.

Helmholtzresonator

Hochwertiger Hörraum mit passiven Resonatoren in der Frontwand, erkennbar an den gelochten Abdeckplatten; Quelle: Projekt Zehner

Auch wenn ein passiver Resonator auf die richtige Frequenz abgestimmt ist, heisst dies ausserdem noch nicht, dass er wirklich wunschgemäss und vor allem effizient funktioniert. Neben der Frequenzabstimmung müssen auch die Güte und der zeitliche Verlauf zum Problem passen und dies sicherzustellen ist selbst für erfahrene Akustiker alles andere als trivial.

Demgegenüber hat eine elektronische Bassfalle im Idealfall, den grossen Vorteil, dass sie sich zielgenau an die Erfordernisse anpassen lässt, ohne dass man zeitaufwändige "bauliche" Massnahmen ergreifen und Versuchsreihen durchführen muss. Oder noch besser: die Regelsteuerung der elektronischen Bassfalle erkennt das Problem gleich selber und löst es ganz ohne menschliches Zutun - vom Anschluss an das Stromnetz und der Betätigung des Einschaltknopfs mal abgesehen.

Eine aktive Regelung hat ausserdem den Vorteil, dass sie deutlich effizienter ist, als ein passiver Resonator. Mit viel kleineren Flächen und Volumina kann man somit viel mehr erreichen. Dies relativiert dann auch die Kosten eines solchen Gerätes, welches auf den ersten Blick dem einen oder anderen womöglich etwas hoch erscheinen mag. Wenn Sie sich näher für Anschaffung und Kosten interessieren, sollten Sie sich direkt an die Hersteller und Lieferanten wenden, entsprechende Links befinden sich am Ende dieses Dokumentes. Allgemein kann man aber davon ausgehen, dass je nach Produkt und Problemstellung und jenachdem wie viele Einheiten man benötigt mit einem niedrigen bis mittleren bis hohen vierstelligen Betrag zu rechnen ist.

Dafür kann man diese Bassfalle bei einem allfälligen Umzug wieder einsetzen, was mit spezifisch auf einen bestimmten Raum gebauten passiven Resonatoren meistens nicht sinnvoll ist. Auch eine variable Akustik kann durch einfaches An- und Abschalten realisiert werden, sofern diese erforderlich sein sollte.

Nicht verwechselt werden sollten aktive Bassfallen mit "herkömmlichen" elektronischen Massnahmen, wie Equalizern, Raumkorrekturprozessoren, automatischen Einmess-Systemen etc. Alle diese greifen in den elektrischen Signalfluss ein und können deshalb auch keine raumakustischen Probleme lösen, auch wenn die Marketingabteilung der Hersteller das regelmässig anders sehen und mit Beschreibungen die irgendwo zwischen "blumig-kreativ" und "an der Grenze zum Betrug" einzuordnen sind, anderes suggerieren. Eine elektronische Bassfalle hingegen greift tatsächlich in die Raumakustik und nicht in das elektrische Nutzsignal ein.

Jedes der drei im Folgenden kurz vorgestellten Systeme funktioniert nach einem etwas anderen Grundprinzip und hat dadurch jeweils seine spezifischen Eigenheiten, Vor- und Nachteile. Aus diesem Grunde kann man auch nicht so ohne weiteres sagen, welches für einen konkreten Fall am besten geeignet ist. Auch wenn eines der drei vorgestellten Systeme mehr oder weniger "Plug&Play"-Funktionalität aufweist, zeigt sich in der Praxis, dass eine gute Kenntnis des Problems vorhanden sein muss, um eine zielgerichtete Lösung herbeizuführen. Verständlicherweise ist es mit dem nötigen Fachwissen und der Anwendung moderner Messtechnik sehr viel wahrscheinlicher, eine im Rahmen des Möglichen optimale Lösung zu realisieren.


Bag End E-Trap

Bereits seit über 10 Jahren auf dem Markt ist die E-Trap des US-amerikanischen Lautsprecher-Herstellers Bag End, welche aus einem 10-Zoll-Lautsprecher mit Steuerelektronik in einem verhältnismässig kleinen Gehäuse (46 x 33 x 24 cm) Platz findet. Das System arbeitet über einen Frequenzbereich von 20 bis 65 Hz (obschon dieser Werksbereich durch einen versierten Techniker auch erweitert werden kann) und behandelt zwei separate Raumresonanzen.

Als einer der ganz wenigen Akustik-Berater habe ich mich schon früh mit elektronischen Bassfallen beschäftigt und nach Erscheinen der E-Trap das Produkt bei akustischen Optimierungen öfters eingesetzt. Ich habe hierzu an dieser Stelle bereits 2009 einen ausführlichen Artikel nebst einem Fallbeispiel veröffentlicht und in den Folgejahren dürfte kaum jemand so viele E-Traps eingemessen haben, wie ich.

Dies war nicht immer ganz einfach und ich musste zunächst lernen, in welchen Fällen ein Einsatz überhaupt sinnvoll ist. Die Meinung einiger Lieferanten und Händler, zur Einmessung genüge ein einfacher Spektrum-Analyzer, kann ich jedenfalls ganz und gar nicht teilen. Ohne detaillierte Betrachtungen des Zeitverhaltens des Signals, ist ein erfolgreicher Einsatz kaum möglich, mindestens nicht in dem Sinne, dass man einen hohen Wirkungsgrad erreicht. Besonders schwierig wird eine Behandlung meiner Erfahrung nach dann, wenn die Raummoden degeneriert sind und beispielsweise nicht exponentiell abklingen, was leider öfter vorkommt, als einem lieb sein kann. In solchen Situationen sind übrigens auch passive Resonatoren alles andere als einfache Problemlöser - es kommt gelegentlich sogar vor, dass sie sich als Problemverschlimmerer herausstellen.

Selbst mit modernem Messequipment ausgestattet, gehört demnach eine gute Prise Erfahrung dazu, um mit aktiven Absorbern ein erfolgreiches Ergebnis zu erzielen. Und selbst dann gab es Fälle, in denen ich mehrere Stunden benötigte, um die Raumresonanzen wunschgemäss zu beeinflussen - in anderen Fällen wiederum war und ist es manchmal nur eine Sache von wenigen Minuten. Die E-Trap ist von den drei hier erwähnten Produkten sicher mit grossem Abstand das am schwierigsten zu kontrollierende und einzustellende System und ist deshalb eigentlich nur mit einer professionellen Einmessung durch einen Fachmann zu empfehlen.

Bedienfeld E-Trap

Bedienfeld Bag End E-Trap

Die Idee hinter der E-Trap ist es, ein gegenphasiges Signal zu erzeugen, welches die Überdruck- und Unterdruckzone einer Raummode gewissermassen aufsaugt und damit aus dem Schallfeld entfernt. Umgangssprachlich bezeichnet man diese Methode manchmal auch als "Antischall" und ein im Ansatz vergleichbares Grundprinzip kennt man von sogenannten Noise-Cancelling-Kopfhörern: Mini-Mikrofone analysieren das Schallfeld und erzeugen ein gegenphasiges Signal, welches dann dem Musik-Signal beigemischt wird und damit den Aussenlärm kompensiert. Auch in geräuschvoller Umgebung (z.B. im Flugzeug) kann man dann störungsfrei Musik geniessen - oder schlafen.

Auch die E-Trap arbeitet über ein eingebautes Mikrofon (in früheren Varianten, waren es noch deren zwei, jeweils eines vorne und eines hinten am Gehäuse) und regelt über einen Rückkopplungskreis mit manuell einzustellenden Filtern die Bewegung der Membrane. Ein nicht unwesentliches potenzielles Problem der E-Trap ist die Stabilität des Rückkopplungskreises, welche bei hohen Verstärkungen ein unerwünschtes Aufschwingen ("Feedback") erzeugt. Dieses Resonanzverhalten begrenzt die maximal mögliche Wirkung des Systems.

Ebenso ist die Aufstellung, also die Position im Raum recht kritisch. Einerseits ist ein Platz zu finden, bei der die physikalische Voraussetzung gegeben ist um einen möglichst hohen Wirkungsgrad zu erzielen (Druckmaximum). Andererseits muss aber für kritische Abhörsituationen (Tonstudio-Regie, Hifi-Hörraum, Heimkino etc.) auch gewährleistet werden, dass die Links-/Rechts-Symmetrie der Lautsprecheranlage keine unerwünschte Störung erfährt. Und als dritter Punkt müssen Platzwahl und Einstellungen so erfolgen, dass keine hörbaren Artefakte auftreten.

Konstruktionsbedingt kann ein solches System nur einzelne Moden (im Falle der E-Trap deren zwei) reduzieren und auch dies nur, wenn sie frequenzmässig genügend weit auseinanderliegen. In der Praxis ist es nicht selten so, dass man sich auf eine Mode beschränken muss, weil andernfalls negative Seiteneffekte auftreten. Moden die durch bauliche oder passive Absorber-Massnahmen bereits eine gewisse Dämpfung erfahren haben, eigenen sich zudem erfahrungsgemäss weniger gut, um mit einer E-Trap noch verbessert zu werden, was hauptsächlich am zu geringen Q-Faktor derartiger Resonanzen liegt.

Hat man alles richtig gemacht und sind der Raum und das Verhalten der störenden Raumresonanz überhaupt für einen Einsatz geeignet, wird man allerdings mit einem sehr guten Ergebnis belohnt: Selbst massive Raummoden können mit einer einzigen Box enorm wirkungsvoll reduziert werden (s.a. Fallbeispiel weiter unten im Text).

Eine E-Trap von Bag End kostet rund 1900 Euro. Dazu kommen allenfalls noch die Kosten für die Einmessung.

PSI Audio AVAA

Nach einem etwas anderen Prinzip arbeitet der AVAA (Active Velocity Acoustic Absorber) des Schweizer Herstellers Relec/PSI Audio. Hier wird die Oberflächenimpedanz eines Lautsprechers-Chassis derart modifiziert, dass der Volumenstrom durch einen akustischen Widerstand (in Form eines Lochblechs) optimiert wird. Damit wird bei geringen Gehäuseabmessungen eine sehr effektive Absorption erzielt, welche im Gegensatz zur E-Trap nicht auf zwei Resonanzen beschränkt ist, sondern breitbandig von 15 bis 150 Hertz arbeitet.

Das Funktionsprinzip hat noch einen weiteren entscheidenden Vorteil: es muss (und kann) nichts eingestellt werden, der AVAA reguliert sich gewissermassen selbständig ein. Dies kann allerdings auch ein Nachteil sein, da man weder die effektive Dämpfung noch den Verlauf einzelner Moden individuell anpassen kann. Es ist lediglich möglich die Eingangs-Empfindlichkeit und damit die Effektivität über den ganzen Arbeitsbereich zu regeln. Allerdings dürfte dieser Nachteil in der Praxis nur selten eine tatsächliche Einschränkung darstellen. Für viele Anwendungen dürfte der Umstand, dass der AVAA das "pflegeleichteste" der drei Produkte ist, einen nicht zu unterschätzenden Vorteil darstellen.

PSI AVAA
PSI Audio AVAA; Quelle: Internet Hersteller

Obschon der AVAA vom Prinzip her Plug&Play in die Raumecken gestellt und eingeschaltet werden kann und dann sofort betriebsbereit ist, helfen auch hier akustische Erfahrung und professionelle Messtechnik, das Ergebnis zu verbessern. In der Theorie ist es zwar so, dass alle Moden in den Raumecken zusammenlaufen und deshalb dort am wirksamsten gedämpft werden können. Während dies für quaderförmige, unmöblierte Räume mit schallharten Wänden zweifelsohne gilt, weichen reale Räume aber praktisch immer mehr oder weniger stark von diesem Ideal ab.

Ohne dies anhand eines messtechnisch gestützten A-/B-Vergleichs belegen zu können, gehe ich davon aus, dass der AVAA betreffend Effizienz einer E-Trap unterlegen ist. Das ergibt sich einfach aus den physikalisch unterschiedlichen Funktionsprinzipien (ein AVAA ist eine im Bassbereich vollständig absorbierende Fläche, die E-Trap arbeitet mit "Antischall"). Ein Beleg dafür ist, dass der Hersteller selbst für kleine Räume zwei bis vier AVAAs empfiehlt, während ich mit Ausnahme von ganz speziellen Fällen so gut wie nie mehr als eine E-Trap einsetzen musste, um die Probleme effektiv zu lösen. Dafür erreicht man mit dem AVAA eine breitbandige Wirkung. Welches der beiden Produkte das bessere ist, ist somit vom Einzelfall abhängig.

Die tatsächlich absorbierende Fläche ist beim AVAA aber trotzdem beträchtlich grösser, als nur gerade die des absorbierenden Metallgitters bzw. die Gehäusefront. Je nach Aufstellung resultieren wirksame absorbierende Flächen von bis zu rund 10 Quadratmetern (vgl. Grafik)!

Absorption PSI AVAA
Hersteller-Daten PSI AVAA: Äquivalente Absorptionsfläche

Die Entwicklungsgeschichte der AVAA zeigt übrigens recht gut, weshalb es nicht mehrere derartige Produkte am Markt gibt. An der Entwicklung waren neben Relec/PSI Audio, die das Produkt herstellen und vermarkten auch ein Ingenieurbüro für Akustik und zwei technische Hochschulen beteiligt. Die Entwicklungszeit dauerte 3 Jahre und war mit einem üppigen Budget von rund 750'000 Euro ausgestattet. Moderne elektronische Bassfallen sind also nichts, was man mal ebenso nebenbei an den Start bringt.

Der AVAA von PSI Audio liegt preislich bei ca. Euro 2500.

Rocket Science

Auch das Zürcher Unternehmen Rocket Science GmbH und deren Mastermind Christian Frick arbeiten bereits seit mehreren Jahren und mit beträchtlichem finanziellem Einsatz an einer elektronischen Bassfalle. Neben der Eigenentwicklung eines geschlossenen Lautsprechers, welcher speziell auf diese Anwendung hin optimiert wurde, gehört auch eine aufwändige Steuerung mittels eines DSP dazu, der sowohl von der Hard- als auch der Software (Algorithmik) her ebenfalls vollständig im Haus entwickelt wurde.

Rocket Science DSP
Ausgefeilte HiTech aus Zürich: Rocket Sceience DSP und der dazugehörende Subwoofer im geschlossenen Gehäuse; Quelle: Internet Hersteller

Das System hat gegenüber den beiden Vorgenannten zwei wesentliche Vorteile: Zum einen ist es extrem flexibel einsetzbar, da es akustische Vorwärts- wie auch Rückwärts-Regelungen ermöglicht und diese wahlweise adaptiv oder nicht-adaptiv gesteuert werden können. Neben der Anwendung als "Moden-Löscher" kann man damit auch ANC-Systeme (Active Noise Control) realisieren oder sehr spezielle raumakustische Probleme behandeln, wie sie beispielsweise durch eine asymmetrische Raumaufstellung der Lautsprecher oder einen asymmetrischen Raum entstehen. Ebenso sind selbsteinmessende Double Bass Arrays (DBA) möglich. Insofern ist die Entwicklung von Rocket Science die mit Abstand flexibelste Variante, welche sich sehr gezielt auf jegliche Bedürfnisse anpassen lässt.

Das System ist ausserdem erheblich effizienter als der AVAA und arbeitet im Gegensatz zur E-Trap ebenfalls breitbandig. Dies relativiert auch den etwas höheren Kaufpreis, da (wie auch bei der E-Trap) ein einziges System für die meisten Anwendungsfälle ausreichend sein dürfte.

Die Lösungen von Rocket Science sind derzeit nur im Zusammenhang mit einer professionellen Einmessung durch den Hersteller einsetzbar. Das Ziel, eines sich vollständig selbst-einmessenden und selbstregulierenden Systems, welches der Anwender "Plug&Play" einsetzen kann, ist geplant.

Fallbeispiel

Die untenstehende Fallstudie stammt aus dem Jahr 2009, als ich die erste E-Trap in einem Schweizer Tonstudio eingemessen habe. Sie zeigt deutlich, wie effektiv eine elektronische Bassfalle arbeitet.

In der folgenden Grafik ist der Amplitudenfrequenzgang eines Subwoofers vor (rote Kurve) und nach (blau) dem Einsatz der E-Trap ersichtlich. Ohne Behandlung ist eine deutliche Überhöhung bei ca. 53 Hz zu sehen. Nach der Integration der Bassfalle wird diese Erhöhung um über 6 dB reduziert. Im ersten Moment mag das als wenig erscheinen. Tatsächlich entspricht eine Reduktion um 6 dB aber einem Rückgang der Energie auf einen Viertel.

Aktive Absorber

Noch interessanter wird es, wenn man eine Auswertung macht, bei der lediglich der Zeitabschnitt ab 100 ms nach dem Direktschall betrachtet wird. Die nächste Grafik zeigt diesen Sachverhalt und hier ist bereits eine Reduktion um 18 dB bei der fraglichen Störfrequenz ersichtlich! (Beachten Sie bitte, dass die Skalierungen der beiden Grafiken - bewusst - nicht identisch sind).

Elektronische Bassfalle

Das heisst, dass eine elektronische Bassfalle wie hier vorliegend, nicht einfach eine generelle Pegelreduktion vornimmt (wie dies beispielsweise ein Equalizer oder ein sogenanntes Raumkorrektursystem macht), sondern dass effektiv in den Zeitbereich eingegriffen wird (je mehr Zeit vergeht, desto grösser die Dämpfung; die Raummode klingt schneller ab). Die Bassfalle tut also genau das, was man von ihr erwartet: Sie reduziert die Energie einer Raumresonanz, ohne aber den Direktschall zu beeinträchtigen. Insofern verhält sie sich wie ein passiver Resonator. Aber mit den zwei entscheidenden Vorteilen, dass sie viel weniger Platz beansprucht, und dass man sie bei einem Wechsel des Raums wiederverwenden kann.

Auch das Wasserfalldiagramm, welches das zeitliche Abklingen der einzelnen Frequenzen zeigt, demonstriert eindrücklich die Wirkungsweise der E-Trap (links ohne, rechts mit). Die rote Linie zeigt den zeitlichen Abfall bei 53 Hz, der mit aktiver Bassfalle sehr viel steiler verläuft: Während ohne Bassfalle die stehende Welle auch noch am Ende des dargestellten Zeitbereichs (eine Sekunde) sehr gut zu sehen ist, verschwindet sie mit Bassfalle schon nach 0,4 Sekunden im Grundgeräusch des Raums. Die Folge ist eine deutlich präzisere zeitliche Abbildung im Bassbereich. Das vorher störende Nachklingen und Wummern ist verschwunden.

Messung elektronische Bassfalle

Fazit

Elektronische Absorber stellen oftmals eine sinnvolle Alternative zu passiven Lösungen dar, um den Bass-Bereich zu behandeln. Der wesentliche Vorteil ist die hohe Effektivität bei geringen Abmessungen.

Deren Einsatz ist jedoch nicht allen Fällen wirklich effizient. Wie jede andere raumakustische Massnahme müssen auch hier der gesamte Ist-Zustand und das gewünschte Ziel im Auge behalten werden, um die richtige Lösung auszuwählen.

Abgesehen davon, dass dieser Absorber-Typus generell kein Allerheilsmittel ist, unterscheiden sich die drei vorgestellten Konzepte vom Prinzip her und haben damit alle ihre spezifischen Vor- und Nachteile.

Gegenüber passiven Massnahmen haben elektronische Absorber immerhin noch einen wesentlichen Zusatzvorteil: Man kann sie ohne weiteres mal ausprobieren und wenn sie nicht das gewünschte Resultat erbringen, wieder aus dem Raum entfernen. Auch ist ein direkter A/B-Vergleich durch einfaches Ein-/Ausschalten möglich.

Ergänzung: Historischer Überblick

Die Idee, die Oberflächenimpedanz einer Kontrolleinheit (meist eines Lautsprechers) so zu verändern, dass durch Interferenz eine Schallauslöschung im Bassbereich stattfindet ist keineswegs neu, wurde sie doch bereits 1953 von Harry F. Olson zum US-Patent angemeldet. In der gleichen Patentschrift findet sich auch bereits die im AVAA von PSI Audio umgesetzte Variante, mittels Modifizierung der Oberflächenimpedanz, den Volumenstrom durch eine absorbierende Schicht hindurch zu optimieren und so für eine tatsächliche Dissipation (statt "nur" einer Interferenzauslöschung durch Superposition mit der damit verbundenen Erhöhung der Energiezufuhr) zu sorgen.

Erst Mitte der Nuller-Jahre kam mit der E-Trap von Bag End das erste serienmässige Produkt auf den Markt, welches mittels eines Rückkopplungskreises Raummoden effektiv reduziert. Noch einmal rund 10 Jahre sollte es dauern, bis 2016 mit dem AVAA von PSI Audio das erste kommerziell erhältliche Produkt entstand, welches Hybrid, d.h. mit einem passiven, akustischen Widerstand und einer aktiv gesteuerten Kontrolloberfläche arbeitet. Die Lösung von Rocket Science ist - mindestens in Form von funktionsfähigen Prototyen seit 2017 am Markt.

Im Haupt-Text nicht erwähnt, ist das ARAM-System ("Aktive Raummoden-Absorptions-Module"), welches zwischen 2003 und 2006 von Klein und Hummel produziert wurde (O800 ARAM). Von der Klassifizierung her, handelt es sich um ein statisches/nicht-adaptives Feedforward-System. Vom Prinzip her entspricht die Idee einem klassischen DBA (Double Bass Array) mit all den damit verbundenen Vor- und Nachteilen. Das System von Rocket Science kann auch als adaptives DBA verwendet werden, wobei bei den rückwärtigen Lautsprechern nicht nur Laufzeit und Pegel angepasst werden (wie beim klassischen DBA oder beim ARAM) sondern auch alle Frequenzgang- und Phasengangverzerrungen des Raumes berücksichtigt werden. Damit gehören viele Einschränkungen klassischer DBAs der Vergangenheit an.

Technisch-physikalische Ergänzungen

Im Lehrbuch-Idealfall wird die Impedanz einer Kontroll-Oberfläche generell so angepasst, dass zunächst Druck und Schnelle auf der Membrane selbst permanent gemessen werden. Anhand einer Vergleichsschaltung wird nun geprüft, inwieweit die momentane Schnelle von derjenigen abweicht, welche die gewünschte akustische Zielimpedanz ergibt. Über einen LMS-Algorithmus werden dann die nötigen Filterkoeffizienten welche den Kontroll-Lautsprecher steuern, adaptiv angepasst bis Ist- und Soll-Schnelle übereinstimmen und damit die gewünschte Oberflächenimpedanz erreicht ist. Je nach Anwendung können die Koeffizienten danach fixiert werden oder man lässt das System adaptiv weiterlaufen, was eine automatische Nachregelung der Filterfunktionen gewährleistet, wenn sich die akustischen Umgebungsparameter verändern (z.B. Änderung der Raumtemperatur oder Öffnen/Schliessen einer Türe). Was in der Theorie ganz hervorragend funktioniert, stellt sich in der praktischen Umsetzung aus verschiedenen Gründen als ausgesprochen schwierig dar, insbesondere wenn diese Systeme nicht nur in eindimensionalen (Kanälen) sondern auch in dreidimensionalen und damit wesentlich komplexeren Schallfeldern zuverlässig arbeiten sollen.

In der praktischen Umsetzung etwas einfacher, ist eine Regelung, die (in nur geringfügig abgewandelter Form gegenüber der gleich folgenden Erklärung) bei der AVAA von PSI Audio eingesetzt wird. Hierbei wird lediglich der Schalldruck hinter dem absorbierenden Layer gemessen. Die Schnelle der Membrane wird dann so reguliert, dass der Druck möglichst klein, im Idealfall zu Null wird. Dies ist dann gegeben, wenn die Dissipation der absorbierenden Schicht maximal erfolgt, die Oberflächenimpedanz der Membrane somit bestmöglich an diese Vorgabe angepasst ist. Aus der Sicht der Schallwelle sieht es dann so aus, als befinde sich eine reflektierende Wand in einem Viertelwellenlängen-Abstand vom absorbierenden Layer und somit im Maximum der Schallschnelle. Dem Funktionsprinzip folgend, spricht PSI Audio bei der Beschreibung der Regelung von einem Druck-zu-Schnelle-Konverter, der zu einer "Silent Chamber" führt, einer drucklosen Zone hinter der absorbierenden Schicht. Die Schaltung des AVAA ist dabei übrigens vollständig analog aufgebaut.

PSI AVAA Schema
Schematische Darstellung PSI Audio AVAA; Quelle: Internet Hersteller

Generell kann man Regelsysteme abhängig von ihrer Funktionsweise nach vorwärts (Feedforward) und rückwärts (Feedback) arbeitenden Varianten unterscheiden. Vorwärtsarbeitende Systeme verwenden als Steuersignal das Nutzsignal (z.B. Musiksignal, welches auch den Primär- Lautsprechern zugeführt wird) und funktionieren deshalb grundsätzlich nur bei elektroakustischer Wiedergabe. Deren grosser Vorteil ist, dass sie nicht instabil werden, also keine unerwünschten Rückkopplungen produzieren können.

Feedback-Systeme haben demgegenüber den Vorteil, dass sie auch mit rein akustischen Quellen arbeiten (z.B. Instrumente in einem Aufnahmeraum). Dafür bergen sie - wie es der Name schon vermuten lässt - die Gefahr, dass das System elektrisch in unerwünschte Resonanz gerät, nämlich dann, wenn der Verstärkungsfaktor über 1 liegt. Diese Gefahr besteht besonders, wenn Steuermikrofon und Steuerlautsprecher räumlich nahe beieinander positioniert sind, was für einen effizienten Betrieb aber oft eine Voraussetzung darstellt.

Eine direkt damit zusammenhängende grundsätzliche Schwierigkeit von Feedback-Systemen, besteht nämlich darin, dass bei einem optimalen Betrieb (vollständige Auslöschung) am Mikrofon gar kein Schalldruck mehr vorhanden ist, damit aber auch kein Regelsignal mehr. Dies führt also zur folgenden paradoxen Situation: Je besser das System arbeitet, desto mehr regelt es sich auch sein eigenes Regelsignal weg, welches es aber für einen optimalen Betrieb zwingend benötigt. Wie auch immer der Hersteller oder derjenige, der dieses System einstellt, vorgehen, beschränkt dieser Umstand zwangsläufig den Wirkungsgrad der Massnahme, weil der Versuch diesen zu erhöhen früher oder später unweigerlich zum Fall einer unerwünschten elektroakustischen Rückkopplung oder (noch vorher) zu Artefakten in Seitenbändern führt. Den schmalen Grat zwischen Effizienz und Instabilität unter Kontrolle zu behalten, ist die grosse Herausforderungen bei allen rückwärts arbeitenden Systemen. Eine Vorwärtsreglung ist deshalb prinzipbedingt im Vorteil und ermöglicht generell eine stärkere Dämpfung und einen stabileren Betrieb.

Den obigen Grundlagen und Klassierungen folgend, kann man die drei vorgestellten Systeme nun wie folgt unterscheiden.

System Funktionsprinzip Filtereinstellung Regelung
Bag End E-Trap Auslöschung durch Interferenz manuell, statisch Feedback
PSI Audio AVAA Strömungsoptimierte Dissipation durch absorbierende Schicht automatisch, adaptiv Feedback
Rocket Science Auslöschung durch Interferenz alle denkbaren Varianten und Kombinationen möglich* Feedback und Feedforward mit allen denkbaren Kontroll- und Steuermöglichkeiten*

* Die Angaben zum System von Rocket Science beziehen sich auf die grundsätzlich offene Architektur des DSPs. Vollständig zugänglich sind sämtliche Einstellungen aber nur bei direktem Zugriff auf die Algorithmen in einer Tiefe, die dem Hersteller vorbehalten ist. Geplante Plug&Play-Produkte werden deshalb zwangsläufig mit vorgefertigten Presets und allenfalls dem Eingriff in einige wenige Parametern auskommen müssen. Dies sollte aber nach meinem derzeitigen Kenntnisstand der geplanten Entwicklung und meiner praktischen Erfahrung mit aktiven Absorbern, die allermeisten Anwendungsfälle abdecken. Lediglich für sehr speziell gelagerte raumakustische Probleme, wird man eine Custom-made-Lösung des Herstellers beanspruchen müssen - und können!


FAQ: Fragen und Antworten

Im Laufe der letzten Monate wurden mir immer wieder konkrete Fragen zu aktiven Absorbern gestellt. Ich versuche diese in der Folge zu beantworten. Haben Sie auch noch eine Frage? Dann schreiben Sie mir: info@zehner.ch

(AA = aktiver Absorber)

Wirkt sich ein AA nur an einer bestimmten Position im Raum aus?
Nein. Korrekte Platzierung und Einmessung vorausgesetzt, wirkt sich die Verbesserung grundsätzlich im ganzen Raum aus. Wird also beispielsweise eine Mode gedämpft, dann sinken Pegel und Ausklingzeit nicht nur an der Stelle an der ein AA positioniert ist, sondern auch an allen anderen Positionen im Raum.

Kann man mit einem AA auch Löcher im Frequenzgang auffüllen?
Ja. Frequenzeinbrüche entstehen in modalen Räumen an den Positionen der Schallschnellemaxima, welche durch eine Reduktion der Moden auch gemindert werden.

Ich habe (mehrere) leistungsstrake Subwoofer in meiner Anlage und kann mir nicht vorstellen, dass die kleine Membranenfläche eines AA dagegen ankommt.
Das muss sie auch gar nicht. Es geht ja nicht darum, gegen die Subwoofer anzukämpfen, sondern gegen die Raumeinflüsse. Ich habe bereits AAs in Setups mit bis zu acht Subwoofern äusserst erfolgreich eingesetzt.

Wenn ich mir vorstelle, dass ein AA ja eigentlich ein kleiner Subwoofer ist, dann wird damit doch auch wieder Schall erzeugt. Entstehen dadurch nicht wieder neue Probleme?
Es ist richtig, dass die meisten Systeme prinzipbedingt mittels zusätzlicher Energiezufuhr arbeiten. Korrekt eingestellt sollte(!) keine unerwünschte Schallabstrahlung entstehen. In der Praxis ist es aber tatsächlich so, dass Artefakte in Form von hörbaren Nebeneffekten oft nicht gänzlich ausgeschlossen sind. Durch eine korrekte Auf- und Einstellung kann dies aber in aller Regel vermieden werden. Ein erfahrener Akustiker, der sich mit AA auskennt, kann bereits im Vorfeld eine Aussage darüber machen, ob ein solches System (und welches) überhaupt in Frage kommt.

Kann ich stehende Wellen nicht auch mit einem Equalizer oder einer digitalen Raumkorrektur bearbeiten?
Nein, aus verschiedenen Gründen nicht. Der wichtigste: Ein Equalizer kann Direkt- und "Diffusschall" nicht getrennt bearbeiten. Er senkt einfach beides um einen identischen Betrag ab, ohne den zeitlichen Verlauf des Nachklangs zu vermindern. Ein AA wirkt nur auf die Raumresonanz und lässt den Direktschall unangetastet. (Nur am Rande und der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass sich Raumresonanzen in bestimmten Fällen manchmal auch mit minimalphasigen Filtern in ihrem Zeitverhalten positiv beeinflussen lassen).

Links zu Herstellern und Lieferanten

Ich empfehle die oben erwähnten Produkte, wenn sie innerhalb meiner Projekte eine sinnvolle Ergänzung oder Alternative zu herkömmlichen Massnahmen darstellen. Ich handle aber generell nicht mit Waren und verkaufe deshalb auch keine elektronischen Bassfallen. Die folgenden Links führen zu den Herstellern und Lieferanten, welche über die Konditionen Aufschluss geben können:

Herstellerseite Bag End E-Trap
Lieferant CH, D, AUT: Hörzone, München

Hersteller AVAA: Relec/PSI Audio

Rocket Science

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in Kürze

  • Aktive Absorber / Elektronische Bassfallen beheben Probleme im modalen Bereich eines Raums

  • Im Gegensatz zu passiven Resonatoren (Plattenschwinger, Helmholtzresonatoren) arbeiten sie bei geringsten Gehäusegrössen äusserst effizient

  • Positionierung im Raum und Einmessung sind wesentlich, um optimale Resultate zu erzielen

  • Derzeit gibt es drei kommerzielle Produkte mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen: die E-Trap von Bag End, der AVAA von PSI Audio und ein System von Rocket Science